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Von Bildungspolitik bis EU-Erweiterung

Am 15.12.2000 diskutierten Politiker mit SchülerInnen der Stufe 13

Im Mittelpunkt der sachlichen Diskussion standen die Themen Schulpolitik, Rechtsextremismus, Wehrpflicht und EU-Osterweiterung. Dabei erlebten die Abiturienten Politik live, denn  jeder Vertreter der vier im Landtag vertretenen Parteien wollte „noch einen Satz“ sagen, „eine Anmerkung“ machen oder „ein Beispiel aus dem alltäglichen Leben“, das nicht immer beispielhaft sein muss, vorbringen. Auch wurden aus „einem Satz“ schnell mehrere, „eine kurze Anmerkung“ konnte ein längeres Statement werden.

Eingeladen waren die Abgeordneten Silvia Hillenbrand (SPD), Dr. Walter Arnold (CDU) und Tarek Al-Wazir (Bündnis90/Grüne). Für die FDP war Christoph Schneider gekommen, der in diesem Jahr den Kreisverband Vogelsberg der Jungen Liberalen gründete.

Während eines Besuchs von Schülern im Wiesbadener Landtag erlebten sie die hitzige Debatte um Äußerungen des CDU-Abgeordneten Hans-Jürgen Irmler gegenüber Grünen-Fraktionschef Al-Wazir („Ein Student aus Sana.“). Noch in Wiesbaden wurde beschlossen, das Gespräch mit den heimischen Abgeordneten in der Schule fortzusetzen.

Daraus ergab sich auch die erste Frage von Ricarda Flicker an den gebürtigen Offenbacher Al-Wazir, ob er schon öfter gegen seine Person gerichtete diskriminierende Parolen im Parlament gehört habe? Zunächst hätten einige Abgeordnete sein Auftauchen „etwas ungewöhnlich“ gefunden, antwortete der Sohn eines Jemeniten. „Mit der Zeit habe ich mir durch meine Arbeit Anerkennung verschafft.“ Doch seit der Landtagswahl am 7. Februar 1999 und dem Bekanntwerden der CDU-Schwarzgeldaffäre verlaufen die Sitzungen „nicht mehr normal“. Zwar dürfe es unterschiedliche Positionen und Streit geben, aber „derzeit liegen die Nerven blank“. Diesem Eindruck schloss sich Hillenbrand an, die seit 1991 im Parlament sitzt. „Der Umgang hat sich verschärft, darunter leidet die Sacharbeit.“ Von den Äußerungen seines CDU-Fraktionskollegen Irmler distanzierte sich Arnold: „Es geht emotional zu, wenn man für eine Position streitet, aber Zurufe sollten nicht persönlich beleidigend sein. Es ist richtig, dass der Kollege vom Landtagspräsidenten gerügt wurde.“

Weiter ging es dann mit den von den Schülern vorbereiteten Fragen, zunächst zum Thema Bildungspolitik.

Arnold stellte zwei Punkte heraus: Verwirklichung der im Wahlkampf versprochenen Unterrichtsgarantie und Verbesserung der Qualität der Schulausbildung. Hillenbrand wies darauf hin, dass die rot-grüne Vorgängerregierung in finanziell schlechteren Zeiten auch 3000 neue Lehrer eingestellt habe und es noch immer Defizite gebe, etwa in Berufsschulen und in der Oberstufe. Al-Wazir griff den Streit um die Lehrerwerbeaktion des Landes auf, die Probleme für Privatschulen und die neuen Bundesländer schaffe, wo Lehrer meist nur angestellt seien. Christoph Schneider (FDP) verteidigte dies mit den Worten: „Andere hatten die Idee eben nicht zuerst.“ Es müsse zudem mehr Wettbewerb in den Schulen geben. Weitgehende Einigkeit herrschte über die Notwendigkeit zur Förderung von Elite. Applaus erhielt Hillenbrand für die Aussage „Bildungspolitik muss für alle zugänglich sein“. Begleitet von einem zustimmenden Nicken der SPD-Politikerin antwortete Arnold: „Das eine tun und das andere nicht lassen.“ Al-Wazir forderte eine bessere pädagogische Ausbildung der Lehrer, die das fachliche Wissen durchaus beherrschten. Für ein Abitur nach zwölf Jahren machte sich Schneider stark. Die Vertreter der beiden kleinen Parteien und Silvia Hillenbrand („Das ist meine persönliche Meinung, nicht die der SPD“) setzten sich für eine Abschaffung der Wehrpflicht ein. Dies stieß bei den Schülern auf Zustimmung, allerdings fragten sie nach der Zukunft des Zivildienstes. Arnold sprach sich hingegen für die Beibehaltung der Wehrpflicht und dem Recht auf Verweigerung aus: „Es gibt auch Pflichten in der Gesellschaft.“

Einigkeit herrschte bei den vier Politikern zum nächsten Thema EU-Osterweiterung, das derzeit auch im Gemeinschaftskunde-Unterricht der Stufe 13 behandelt wird.  „Die EU ist ohne Mittel- und Osteuropa unvollständig“ (Al-Wazir); „Wer ein friedliches Europa will, muss für die Osterweiterung sein“ (Hillenbrand). Und Arnold hierauf: „Da kann ich mich nur anschließen.“ Als kritische Punkte wurden die mögliche Niederlassungsfreiheit der Arbeitskräfte (Al-Wazir), Arbeitnehmerrechte und Umweltstandards bei einer Harmonisierung (Hillenbrand) und die Frage nach zentralistischer oder föderalistischer Ausrichtung der EU (Arnold) angesprochen. Unterschiedlich wurde das NPD-Verbot beurteilt. CDU- und FDP-Vertreter lehnten es ab, Zustimmung kam von den SPD- und Grünen-Politikern. Einig war man sich jedoch darin, dass der Rechtsextremismus bekämpft werden müsse.

Für Blues am Piano sorgte Michael Hartmann.

Silvia Hillenbrand und Walter Arnold diskutierten im Anschluss an die Podiumsveranstaltung mit den Jugendlichen noch über Schulpolitik, Homosexuellen-Ehe und vieles mehr.